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Projekte und Themenschwerpunkte

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Im Rahmen der inhaltlichen Arbeit der Forschungsgruppe wurden mehrere Projektlinien verfolgt: Unter dem Titel „Komplexe Grenzen“ sind verschiedene konzeptuelle Arbeiten gefasst worden, die sich mit Grenzen als hochkomplexen Gebilden auseinandersetzten, und zwar sowohl in ihrer theoretischen Konzeption als auch in der empirischen Ausgestaltung. Grenzen wurden demnach als multidimensionale, dynamische und relationale Gebilde analysiert, die über Praktiken und Diskurse der Grenzziehung hervorgebracht, stabilisiert und unterlaufen werden. Im Rahmen der von der Fritz Thyssen-Stiftung geförderten Tagung „Komplexe Grenzen: Dimensionen, Dynamiken, Technologien“, die von der Forschungsgruppe im November 2016 an der Viadrina veranstaltet wurde, wurde die Produktivität dieses Zugangs mit nationalen und internationalen Expert:innen diskutiert. Die Ergebnisse mündeten im Themenheft „Komplexe Grenzen“ (2018). Die konzeptionellen Impulse werden u.a. in der DFH-geförderten Workshopreihe „Border Complexities“  (2019-2022) in einem trinationalen Verbund von fünf Universitäten, wie auch im dem CIERA geförderten Kooperationsprojekt „Ein immer noch geteilter Himmel“ an der ehemals innerdeutschen Grenze (2019-2021), zusammen mit dem Centre Marc Bloch aufgenommen und weitergeführt. In den Jahren 2019 und 2020 sind des Weiteren die DAAD-geförderten Kooperationsprojekte „Zwischenräume in Gedächtnislandschaften: Holocaust/Porajmos“ (2019) und „Die Länder des ehemaligen Jugoslawien als „doppelter Transitraum“: Solidaritäten, Grenzziehungen und Grenzüberquerungen zwischen MigrantInnen und der lokalen Bevölkerung auf dem Weg in die EU“ (2020) mit Universitäten in Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina aus den Arbeiten einiger Gruppenmitglieder hervorgegangen.

In einer weiteren Projektlinie widmete sich die Forschungsgruppe der analytischen Auseinandersetzung mit „Infrastrukturen von Grenzen“. Infrastrukturen können als Substrat angesehen werden, als gleichermaßen „harte“ (Straßen, Grenzzäune, Pipelines etc.) wie auch „weiche“ (Menschen, Dienstleistungen, Kategoriensysteme etc.) Grundlagen der Verbindung und Trennung, die als physische wie symbolische Gelingensbedingungen kollektive soziale Prozesse und übersituative Strukturierungs- bzw. Relationierungsleistungen ermöglichen. Ausgehend von der aktuellen geistes- und sozialwissenschaftlichen Infrastrukturforschung wurden nicht nur einzelne Grenzobjekte und konkordante Grenzpraktiken in den Blick genommen, sondern auch die meist unbewussten, übersituativen, häufig unsichtbaren und standardisierten Relationen von Grenzarbeitsprozessen analysiert. Ausdruck dieser Arbeit war, neben Gastvorträgen in der Research Factory, das Panel „Infrastructuring Borders“ im Rahmen der Tagung „Borders and Technology“ des Netzwerks „Tensions of Europe“ in Athen/Griechenland im Jahr 2017. Eine soziologische Analyse der Selektionspraxis von Grenzorganisationen wurde ausgearbeitet, in verschiedenen Präsentationen vorgestellt (etwa im „Atelier Bordertexturen“ an der Universität Luxemburg) und wird weiterverfolgt.

Unter dem Titel „Un/Gewisse Grenzen“  wurde ein interdisziplinäres Netzwerk geknüpft und vorangetrieben. Das Netzwerk verbindet vornehmlich Nachwuchswissenschaftler:innen verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen innerhalb Europas und widmet sich der interdisziplinären Erforschung der Dynamik zwischen Gewissheit und Ungewissheit in Grenzziehungsprozessen. Ein Antrag für ein Wissenschaftliches Netzwerk bei der DFG befindet sich in Arbeit.

Als wesentlicher Beitrag zur Verankerung der Grenzforschung im deutschsprachigen Raum ist das „Handbuch Grenzforschung“ zu sehen, das von Teilen der Forschungsgruppe konzipiert und koordiniert wurde. Das Handbuch ist 2021 im Nomos Verlag erschienen und spiegelt gleichfalls die Netzwerkaktivitäten der Forschungsgruppe wider, indem es die gemeinsame Arbeit „an der Grenze“ einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.

Die Forschungsgruppe war auch ein Ort des inhaltlichen Austausches mit Grenzforschungsinteressierten aus Wissenschaft und Studium: So veranstaltete seit 2015 zuerst die AG Grenztheorie(n) und später die Forschungsgruppe „Border & Boundary Studies“ ein regelmäßiges Grenzforschungskolloquium, welches von den weiterhin an der Viadrina arbeitenden Forschungsgruppenmitgliedern bis 2020 weitergeführt wurde. Neben der Auseinandersetzung mit zentralen Texten der Border Studies, wurden in diesem Rahmen vor allem laufende Forschungsarbeiten vorgestellt. Zudem wurde die Arbeit der Forschungsgruppe durch mehrere Gastwissenschaftlerinnen bereichert, die für mehrmonatige Aufenthalte nach Frankfurt (Oder) kamen, um gemeinsam mit der Forschungsgruppe am Center zu arbeiten.

Seit 2018 engagieren sich mehrere Mitglieder der Forschungsgruppe zudem in der Sektion „Kulturwissenschaftliche Border Studies“ der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft. In dem gemeinsam betriebenen Forschungszusammenschluss mehrerer Kolleg:innen aus Frankfurt (Oder), Saarbrücken, Luxemburg und Duisburg-Essen, wird zu einem breiten Spektrum unterschiedlicher Grenzziehungen gearbeitet. Die Sektion organisiert außerdem in regelmäßigen Abständen Workshops sowie 2020 gemeinsam mit dem Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION die 6. Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (KWG) in Frankfurt (Oder).